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Ein Projekt von Lina Zacher

Meisterschülerin Bildende Kunst

Burg Giebichenstein 

Kunsthochschule Halle 

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ein mobiler Filmdienst 

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für pflegebedürftige Kinder und Jugendliche

in stationären Einrichtungen 

Kurzbeschreibung

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Bei dem «mobilen Filmdienst» geht es um das Einfangen von Orten, Personen oder Aktivitäten, die pflegebedürftige Kinder in stationären Einrichtungen in ihrem neuen Alltag vermissen und die ihnen durch ihre gesundheitliche Lage und auch durch die Pandemie bedingten Ausgangs-Beschränkungen verwehrt bleiben. Als «mobiler Filmdienst» und «Botschafterin» möchte ich den Kindern nach einer Kennenlern- und Einführungsphase anbieten, das Besuchen von bestimmten Orten, das Treffen mit alten Freunden und das Überbringen oder Einholen von bestimmten Nachrichten für sie mit meiner Kamera zu erledigen. Das Konzept dieses Filmprojektes beruht auf der Erfüllung der Wünsche von Kindern, die durch das filmische Festhalten mit der Kamera ermöglicht werden.

 

Der damals oft besuchte Platz am Bach, der alte Schulweg, der Schlupfwinkel auf dem Spielplatz, ein geliebter Aussichtspunkt oder der Besuch der Nachbarskinder, des Schulfreundes oder die weit entfernten Großeltern - was auch immer Gegenstand der Sehnsucht der Kinder ist, soll in diesem Projekt einen Platz finden. 

Das nach den Wünschen und Anweisungen der Kinder aufgenommene Filmmaterial wird gesichtet.

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Idee und Konzept

Der Einzug in eine stationäre Einrichtung stellt Kinder in vielerlei Hinsicht vor eine große Herausforderung. Der Alltag, der mit seiner Struktur von Aktivitäten und sozialen Kontakten an bestimmten Orten für Sicherheit und Stabilität gesorgt hat, verändert sich grundlegend. Insbesondere durch die Corona-Lage wird der Kontakt und die Pflege aller Bestandteile des vorherigen alltäglichen Lebens beeinträchtigt. Die Ausgangs- und Kontaktbeschränkungen limitieren die Mobilität und den Austausch zu Freunden und Familie, wodurch der Übergang zum neuen Alltag in der Klinik zusätzlich erschwert wird.

 

In meinem Projekt soll das, was fehlt, thematisiert werden. Mithilfe der Kamera soll eine Brücke geschaffen werden und, wenn auch auf neue Weise, das eingefangen und festgehalten werden, was  zur Zeit nur schwer erreichbar ist.

Die Aussicht auf den oft besuchten See oder das gewohnte Beobachten von Ameisen am Ufer - das Filmmaterial stellt Ausschnitte des vorherigen Alltags der Kinder dar.

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Im Detail

Der ca. 20 bis 30 minütige Kurzfilm soll sich aus drei verschiedenen Bestandteilen zusammensetzen: der erste Schritt wird die Auseinandersetzung mit dem Inhalt sein, der gefilmt werden soll (was oder wer soll wie/ wann/ wo besucht und aufgenommen werden?). In längeren Gesprächen können mir die Kinder von ihren Wünschen zu bestimmten Aufnahmen erzählen, den Geschichten dahinter und ihren eigenen Erfahrungen. Mit den notwendigen Ortsbeschreibungen und wichtigen Informationen zu den zu machenden Aufnahmen werde ich mich auf den Weg machen, um diese zu erledigen.

 

Ich werde mich den Aufgaben, zu dessen Erledigung die Kinder mich gebeten haben, annehmen und werde ihren genauen Anweisungen folgen, welche Orte bzw. Personen wie und wann besucht und aufgesucht werden sollen. Im letzten Schritt soll das entstandene Filmmaterial gezeigt und besprochen werden.

Die Reaktion der Kinder, ihre Gedanken und Emotionen zu dem Resultat ihres „Filmauftrages“ möchte ich unbedingt einfangen und thematisieren. Die Reflexion über das Film-Ergebnis ermöglicht den Kindern ihren Gedanken, Wünschen und dem Gegenstand ihrer Sehnsucht Raum zu geben, offen darüber zu reden und ihre Gefühle dazu, sei es Nachdenklichkeit oder Freude über das indirekte Wiedersehen, zuzulassen.     

 

Der Ansatz dieses Projektes ist es, den Kindern im Rahmen von einer Aktion die Möglichkeit zu geben, sich intensiv mit ihrer eigenen Geschichte auseinanderzusetzen. Genau wie dieses Projekt den Kindern die Möglichkeit gibt, sich Schritt für Schritt mir anzuvertrauen und das Projekt für sich zu entdecken und zu nutzen, wird auch der Film, das Resultat des Projektes, dem Zuschauer die Chance geben, die Kinder allmählich kennenzulernen und ihre Entwicklung mitzuverfolgen. Mit dieser Aktion möchte ich einen sensiblen Umgang mit dem für die Kinder zu verarbeiteten Thema schaffen, indem ich ihnen einen neuen Weg vorschlagen will und ihnen ein konkretes Angebot mache, ihren individuellen Wünschen einen Platz zu geben.

 

Auch in Bezug auf meine eigene Rolle als „Botschafterin“ finde ich bei diesem Projekt insbesondere spannend herauszufinden, wie die Kinder das Filmmaterial, das ich in ihrem Namen erstellt habe, aber doch durch meine Augen bzw. meine Kamera entstanden ist, annehmen. Wie wird sich ihr Blick verändern? Wie wird sich meiner anpassen? Gibt es Schnittstellen zwischen unseren Perspektiven?

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Das Filmmaterial wird kontrolliert: 

Stimmen die Aufnahmen mit dem von den Kindern beschriebenen Orten überein?

Aktueller Bezug

In diesem Kurzfilm geht es um Isolation. Die mit der Corona-Pandemie einhergehenden Beschränkungen schaffen in allen Bereichen neue Lebensbedingungen. Insbesondere in stationären Einrichtungen wie Krankenhäusern, Kliniken und Heimen hat sich die Grenze zwischen Innen- und Außenwelt verstärkt. Der Kontakt zu den Liebsten hat sich verringert und das vorherige Leben (außerhalb der Station) rückt immer weiter in die Ferne. Die Schnittstellen und Berührungspunkte mit dem Leben, das sich örtlich und zeitlich vor der Einrichtung befindet, werden immer weniger, die Sehnsucht danach bleibt jedoch oft bestehen. Gleichzeitig setzten sich die Kinder intensiver denn je mit ihrer neuen Umgebung auseinander. In diesem neuen und isolierteren Lebensumfeld gelten andere Regeln, die betroffenen Kinder und Jugendliche nehmen innerhalb der Gruppe möglicherweise eine neue Rolle ein und der Alltag folgt einer anfangs fremden Struktur. Mein Interesse liegt in der tieferen Beleuchtung und Auseinandersetzung mit diesen beiden (Lebens)Räumen: dem neuen und durch Eintritt der Krankheit und Anfang der Pandemie vermehrt in Isolation stattfindenden Leben und dem in der Vergangenheit liegenden Alltag, der für alle Angehören in einer neuer Form parallel weiterläuft.

Worin bestehen die ersehntesten Wünsche von Kindern und Jugendlichen, die seit Monaten nur besonders eingeschränkten Kontakt zur Außenwelt hatten? Welche Geschichten stecken hinter diesen dringenden Wünschen und welche Entwicklung durchlaufen die Jugendlichen im Rahmen dieses interaktiven Filmprojektes, das ihnen die Möglichkeit gibt, das was fehlt, zu thematisieren oder sogar zu verarbeiten?

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es soll auch um das Leben der Kinder und Jugendlichen auf der Station gehen: Wie sieht der Alltag aus?

vermisste und wichtige Orte, die für die Kinder Bedeutung haben, werde ich aufsuchen

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Künstlerischer Ansatz

Die selbst von den Kindern und Jugendlichen in Auftrag gegebenen Filmaufnahmen ermöglichen es uns, einen anderen und außergewöhnlichen Blick in ihre Lebenssituation in einer stationären Einrichtung zu erhalten. Die Einbettung des Filmes in ein Projekt gibt dem Film einen Rahmen und eine klare Richtung und schafft für die Protagonisten bzw. Teilnehmer die Möglichkeit, sich aktiv miteinzubringen, mitzuwirken und sich einen individuellen „Erzählraum“ aufzubauen und anzueignen. Die Projektidee von dem „mobilen Filmdienst“ gibt den Kindern und Jugendlichen und mir als Filmemacherin und Kamerafrau die Chance, uns gegenseitig durch die Verfolgung des Projektes näher kennenzulernen und gleichzeitig ermöglicht es mir, die Protagonisten auf authentische und menschliche Weise einzufangen und darzustellen.

Bei der Zusammenfügung der verschiedenen Elemente und aufeinander aufbauenden Bestandteile des Films: der Beschreibung und Erzählung dessen, was gefilmt werden soll, dem Einholen des Filmmaterials und der abschließende Sichtung, Reflexion und Weiterführung der eigenen Geschichte, möchte ich mir Freiraum lassen und verschiedene Möglichkeiten und Methoden ausprobieren. Besonders vielversprechend und spannend stelle ich mir die Kombination von den Erzählungen der Kinder mit dem Filmmaterial zu den besuchten Orten und Personen (und dem jeweiligen Weg dahin) vor.

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Auch das Überbringen oder Einholen von Nachrichten von geliebten, aber schwer erreichbaren Menschen, wie zum Beispiel den Großeltern, kann von mir als «Filmdienst» erledigt werden.

Durchführung

Bei der Durchführung des Projektes ist mir der sensible und behutsame Umgang sowie die Wahrung aller Bedürfnisse der Kinder und der individuelle Zugang zu jedem Einzelnen sehr wichtig.

Durch meine Ausbildung als Kunstpädagogin bin ich in der künstlerischen sowie filmischen Projektarbeit mit Kindern und Jugendlichen erfahren und bin gleichzeitig darauf vorbereitet, wie bei jedem neuen Projekt, mich den ortsspezifischen Bedingungen und Begebenheiten anzupassen, dazuzulernen und individuell auf die Kinder einzugehen.

 

Die Idee ist, die Dreharbeiten zum Film als ein kompakte 2-3 Wochenprojekt oder regelmäßiges Angebot durchzuführen, an dem die Kinder teilnehmen können, wenn sie interessiert sind.

Methodisch wollen wir uns mit dem Teilen von Erinnerungen, Erzählungen und Anekdoten den Dingen wieder annähern, die jedem einzelnen wichtig sind.

auch der Weg zu den von den Kindern und Jugendlichen beschriebenen Orten soll dokumentiert werden

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Besuch und Aufnahme eines Schulfreundes im Park

Partner

Für die Realisierung dieses Filmprojektes stehe ich bereits mit verschiedenen Kliniken in Kontakt:

-Pädiatrische Onkologie in Leipzig

-Kinderhospiz Berliner Herz

-Kinder-und Jugendpsychiatrie in Eberswalde

Außerdem strebe ich eine Zusammenarbeit mit der Humboldt-Universität und dem Institut für Rehabilitationswissenschaften an. Ein Student der Klasse von Prof. Dr. David Zimmermann wird mein Projekt pädagogisch begleiten und mir insbesondere bei der Betreuung und Anleitung der Gruppe der ca. vier bis sechs Kinder- und Jugendlichen im Alter von 13-16 helfen.

Ich selbst werde die von den Kindern „in Auftrag gegebenen“ Aufnahmen außerhalb der Station anfertigen. Für die Dokumentation der Projektentwicklung innerhalb der Station (Auseinandersetzung mit den eigenen Wünschen/Sehnsüchten, Ortsbeschreibung, Reflexion und eigener Geschichte) soll mich ein Kamera-Assistent/in begleiten. Meine Teamzusammensetzung kann sich durch die Pandemie-Beschränkungen allerdings noch ändern. Auch die Hilfe von internem Pflegepersonal/Hilfskräften ist denkbar, um die Fluktuation von Ein-und Austritt aus der Klinik zu mindern.    

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Der Innenhof der pädiatrischen Onkologie in Leipzig 

ein Blick nach oben - und einer nach unten

Projektstand und Ausblick

Das Projekt befindet sich zur Zeit in der Recherche-Phase. Der konkrete Ort und die Wahl der Klinik steht außerdem noch nicht fest. In den nächsten Wochen werde ich eine erste Begehung des Ortes organisieren.

Dieses Projekt wird zur Zeit von Prof. Stella Geppert im Rahmen meines Meisterschüler-Studiums (Bildende Künste) an der Burg Giebichenstein betreut. Ich beabsichtige außerdem einen Antrag auf Projektförderung bei Werkleitz, beim Jihlava Film Fund und dem Kulturhauptstadtfonds.

Die Fertigstellung des Filmes setze ich für Ende des Jahres an. Mit meinem Projekt des «mobilen Filmdienstes»  würde ich den Kindern einer stationären Einrichtung gerne die Möglichkeit geben, mit ihren Ideen und ihren Augen - stellvertretend durch die Kamera - die Außenwelt zu erkunden, um damit, wenn auch auf neue Art, die massiven Beschränkungen und die Bewegungsfreiheit durch ihre gesundheitliche Lage sowie die Corona-Pandemie zu überwinden.

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Zur Person

ich bin Lina Zacher, Diplom-Kunstpädagogin, Filmstudentin und Meisterschülerin an der Burg Giebichenstein Kunsthochschule Halle sowie freischaffende Filmemmacherin. 

Im Fokus meiner Arbeiten steht die Auseinandersetzung mit sozial-politischen Themen mit partizipatorischem Ansatz. Ich beschäftige mich mit menschlichen Verhaltensweisen in räumlichen und gesellschaftlichen Zusammenhängen und versuche mich durch praxisnahes und feldforscherisches Vorgehen, Themengebieten zu nähern.

Zusammen mit Delphine Bishop gründete ich 2015 den Medienkunst-Verein «Mio e.V.», der die Förderung multimedialer Austauschprojekte für Kinder und Jugendliche zum Ziel hat.

 

2019 realisierte ich den experimentellen Dokumentarfilm „Fonja“ über das Jugendgefängnis Antanimora in Madagaskar und das Alltagsleben der Jugendlichen, das der Betrachter aus der Perspektive der Inhaftierten durch ihre eigene Aufnahmen kennenlernt. „Fonja“ wurde mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem „best world documentary award“ in Jihlava (IDFF), dem „Up & Coming“ Preis in Wien (Human World), dem „Cinegate Prize“ in Köln (IFFC) und dem Preis für den besten Dokumentarfilm in Berlin (Sehsüchte ISFF).   www.fonjafilm.com

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